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17.04.2014 22:11 Uhr | Quelle: WahreTabelle.de

Schiedsrichterball: Das hatte ein Nachspiel!

Kolumne: Johannes Gründel erklärt bei WahreTabelle.de das Regelwerk und strittige Szenen der Bundesliga.

Johannes Gründel
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Collina
Quelle: GettyImages
Schiedsrichterlegende Pierluigi Collina zeigt im WM-Spiel Deutschland - Kamerun (2:0) am 11. Juni 2002 als vierter Offizieller die Nachspielzeit an.

Johannes Gründel
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Als ich am vergangenen Freitag auf der Rückfahrt vom Spiel zwischen dem FC Ingolstadt 04 und dem SC Paderborn mit meinem Smartphone ein soziales Netzwerk gecheckt habe, traute ich meinen Augen nicht. Der FC St. Pauli postete: „90+7 Min Unfassbar. 3:2 für Lautern durch Jenssen. Das ist bitter!!!“

Über sechs Minuten Nachspielzeit sind in Deutschland schon sehr ungewöhnlich. Schiedsrichter Marco Fritz aus Korb, seines Zeichens seit 2012 FIFA-Schiedsrichter, hatte aufgrund zahlreicher Unterbrechungen durch den Vierten Offiziellen, Stefan Trautmann, fünf Minuten anzeigen lassen. Von diesen fünf Minuten bewegte der Ball sich in den ersten 79 Sekunden kein einziges Mal. Grund hierfür war eine Verletzungsunterbrechung in Verbindung mit einer Gelb-Roten Karte gegen den verletzen Kaiserslauterer Willi Orban und einem Wechsel.

Eine weitere Minute ging für die Behandlung von St. Paulis Sören Gonther drauf. Daran, dass die intensiv geführte Nachspielzeit erneut verlängert werden musste, besteht somit kein Zweifel – mindestens um eine, wenn nicht sogar um zwei Minuten. Und zum Zeitpunkt, als 96:00 auf der Uhr stand, fuhr der FCK gerade einen Konter, der im Endeffekt zum Tor führte. Bei einem so vielversprechenden Angriff sollte man als Schiedsrichter nicht abpfeifen. Dieser Gegenstoß wird dann noch ausgespielt – zumal sich in der Nachspielzeit immer Gründe finden, um diese wenigstens um ein paar Sekunden zu verlängern.

Doch wie kommt ein Schiedsrichter überhaupt zur Nachspielzeit? Theoretisch muss man vergeudete und verloren gegangener Zeit unterscheiden. Verloren gegangene Zeit (Verletzungen o. ä.) wird immer nachgespielt, vergeudete Zeit (Bsp.: Zeitspiel) nur unter Berücksichtigung der Vorteilsregel. Tore, Auswechslungen und normale Spielunterbrechungen gelten, sofern sie nicht unverhältnismäßig lange dauern, als „zum Spiel zugehörig“ und werden deshalb nicht nachgespielt. Faktisch geht es aber größtenteils – jedenfalls, solange es keine Besonderheiten wie lange Behandlungen gab – dann doch nach dem Gefühl des Schiedsrichters. Dies ist auch vom Wettbewerb abhängig: Während in der Bundesliga drei Minuten schon sehr viel sind, ist das in den UEFA-Wettbewerben die Regel. In der Premier League sind Nachspielzeiten von vier oder mehr Minuten keine Seltenheit. Beim Spitzenspiel FC Liverpool – Manchester City (3:2) wurden am vergangenen Sonntag beispielsweise fünf Minuten draufgelegt.

Aber warum sind die deutschen Schiedsrichter so geizig mit der Nachspielzeit? Böse Zungen sehen den Grund darin, dass „Überstunden“ nicht bezahlt werden. Das ist natürlich Unsinn. Während des Spiels hat ein Schiedsrichter keine Gedanken für die Spesen übrig. Viel mehr dürfte daran die Schulung der Schiedsrichter schuld sein. Der ehemalige Obmann unserer Schiedsrichtergruppe pflegte immer zu sagen: „Das Spiel dauert 90 Minuten und nicht 92 oder 93.“ Die Nachspielzeit hat im deutschen Schiedsrichterwesen nicht den Stellenwert, den sie auf internationaler Ebene genießt. Selbst schwer vertretbare Nachspielzeiten tauchen in einem Beobachtungsbogen nur selten auf.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass in der Nachspielzeit gefühlt immer noch etwas passiert. Denkbar ist hier beispielsweise ein spielentscheidender Elfmeter – so habe ich das erst wieder am vergangenen Sonntag bei einem eigenen Spiel erlebt. Siegtreffer wie bei St. Pauli gegen Kaiserslautern, Platzverweise, man denke nur an Szabolcs Husztis Gelb-Rote Karte letzte Saison im Nordderby gegen Werder Bremen wegen doppelt regelwidrigen Jubelns, oder Verletzungen, etwa im CL-Achtelfinale mit Manchester Uniteds Robin van Persie. Und wenn ein Schiedsrichter dann doch mal die Nachspielzeit ausspielen lässt und ein Tor fällt, dann passt es der einen Mannschaft auch wieder nicht. Als Aufreger lässt sich die Nachspielzeit immer heranziehen. Entweder war sie zu lange oder sie war zu kurz. Dabei ist sie vollkommen überbewertet. Selbst fünf Minuten sind relativ zu den 90 Minuten, in denen die Teams das Spiel entscheiden kann, nicht einmal sechs Prozent.

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Über sechs Minuten Nachspielzeit sind in Deutschland schon sehr ungewöhnlich. Schiedsrichter Marco Fritz aus Korb, seines Zeichens seit 2012 FIFA-Schiedsrichter, hatte aufgrund zahlreicher Unterbrechungen durch den Vierten Offiziellen, Stefan Trautmann, fünf Minuten anzeigen lassen. Von diesen fünf Minuten bewegte der Ball sich in den ersten 79 Sekunden kein einziges Mal. Grund hierfür war eine Verletzungsunterbrechung in Verbindung mit einer Gelb-Roten Karte gegen den verletzen Kaiserslauterer Willi Orban und einem Wechsel.

Eine weitere Minute ging für die Behandlung von St. Paulis Sören Gonther drauf. Daran, dass die intensiv geführte Nachspielzeit erneut verlängert werden musste, besteht somit kein Zweifel – mindestens um eine, wenn nicht sogar um zwei Minuten. Und zum Zeitpunkt, als 96:00 auf der Uhr stand, fuhr der FCK gerade einen Konter, der im Endeffekt zum Tor führte. Bei einem so vielversprechenden Angriff sollte man als Schiedsrichter nicht abpfeifen. Dieser Gegenstoß wird dann noch ausgespielt – zumal sich in der Nachspielzeit immer Gründe finden, um diese wenigstens um ein paar Sekunden zu verlängern.

Doch wie kommt ein Schiedsrichter überhaupt zur Nachspielzeit? Theoretisch muss man vergeudete und verloren gegangener Zeit unterscheiden. Verloren gegangene Zeit (Verletzungen o. ä.) wird immer nachgespielt, vergeudete Zeit (Bsp.: Zeitspiel) nur unter Berücksichtigung der Vorteilsregel. Tore, Auswechslungen und normale Spielunterbrechungen gelten, sofern sie nicht unverhältnismäßig lange dauern, als „zum Spiel zugehörig“ und werden deshalb nicht nachgespielt. Faktisch geht es aber größtenteils – jedenfalls, solange es keine Besonderheiten wie lange Behandlungen gab – dann doch nach dem Gefühl des Schiedsrichters. Dies ist auch vom Wettbewerb abhängig: Während in der Bundesliga drei Minuten schon sehr viel sind, ist das in den UEFA-Wettbewerben die Regel. In der Premier League sind Nachspielzeiten von vier oder mehr Minuten keine Seltenheit. Beim Spitzenspiel FC Liverpool – Manchester City (3:2) wurden am vergangenen Sonntag beispielsweise fünf Minuten draufgelegt.

Aber warum sind die deutschen Schiedsrichter so geizig mit der Nachspielzeit? Böse Zungen sehen den Grund darin, dass „Überstunden“ nicht bezahlt werden. Das ist natürlich Unsinn. Während des Spiels hat ein Schiedsrichter keine Gedanken für die Spesen übrig. Viel mehr dürfte daran die Schulung der Schiedsrichter schuld sein. Der ehemalige Obmann unserer Schiedsrichtergruppe pflegte immer zu sagen: „Das Spiel dauert 90 Minuten und nicht 92 oder 93.“ Die Nachspielzeit hat im deutschen Schiedsrichterwesen nicht den Stellenwert, den sie auf internationaler Ebene genießt. Selbst schwer vertretbare Nachspielzeiten tauchen in einem Beobachtungsbogen nur selten auf.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass in der Nachspielzeit gefühlt immer noch etwas passiert. Denkbar ist hier beispielsweise ein spielentscheidender Elfmeter – so habe ich das erst wieder am vergangenen Sonntag bei einem eigenen Spiel erlebt. Siegtreffer wie bei St. Pauli gegen Kaiserslautern, Platzverweise, man denke nur an Szabolcs Husztis Gelb-Rote Karte letzte Saison im Nordderby gegen Werder Bremen wegen doppelt regelwidrigen Jubelns, oder Verletzungen, etwa im CL-Achtelfinale mit Manchester Uniteds Robin van Persie. Und wenn ein Schiedsrichter dann doch mal die Nachspielzeit ausspielen lässt und ein Tor fällt, dann passt es der einen Mannschaft auch wieder nicht. Als Aufreger lässt sich die Nachspielzeit immer heranziehen. Entweder war sie zu lange oder sie war zu kurz. Dabei ist sie vollkommen überbewertet. Selbst fünf Minuten sind relativ zu den 90 Minuten, in denen die Teams das Spiel entscheiden kann, nicht einmal sechs Prozent.

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18.04.2014 11:08


thebrain


1. FC Nürnberg-Fan1. FC Nürnberg-Fan


Mitglied seit: 26.11.2012

Aktivität:
Beiträge: 151

Danke für die interessanten Informationen.
Was ich allerdings bedenkenswert finde, ist dass es die Schiedsrichter in der Bundesliga doch sehr unterschiedlich damit handhaben, ob eine Nachspielzeit verlängert wird oder nicht. Manche spielen genau die Minuten, die angezeigt sind, manche verlängern entsprechend der Verzögerungen - wieder ein Handlungsspielraum der die Schiedsrichter angreifbar macht.
Besser wäre meiner Meinung nach die Nachspielzeit als Netto-Spielzeit - damit würde dann auch der Spielraum für den Schiri wegfallen, ob eine Aktion noch zu Ende gespielt wird oder nicht, oder ob eine Ecke noch ausgeführt wird oder nicht. Auch unsäglich, dass das in der Entscheidungsfreiheit des Schiedsrichters liegt.
Alternative: Nachspielzeit komplett abschaffen!


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