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21.07.2014 12:10 Uhr | Quelle: WahreTabelle.de

Schiedsrichterball: Durchwachsen, aber nicht katastrophal

Kolumne: Johannes Gründel erklärt bei WahreTabelle.de das Regelwerk und strittige Szenen der WM.

Johannes Gründel
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Rizzoli / Team
Quelle: GettyImages
Nach dem WM-Finale Deutschland - Argentinien kassierten Nicola Rizzoli (2. v. l.) und sein Team stellvertretend für alle Referees bei dieser Endrunde gellende Pfiffe der Zuschauer im Maracana.

Johannes Gründel
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Zuletzt hatten sich sogar die Deutschen Schiedsrichteroberen kritisch über die Leistungen der Schiedsrichter bei der WM geäußert. Wenn es erst einmal so weit gekommen ist, dass Vertreter des Schiedsrichterwesens öffentlich Spitzenschiris kritisieren, muss zuvor schon einiges passiert sein.

Fouls seien nicht entsprechend geahndet worden. Tatsächlich zog es sich wie ein Roter – oder zumindest ein Nicht-Gelber – Faden durch die WM, dass die Verwarnungen sehr gerne stecken gelassen wurden. Bei fünf oder sechs Spielen wären das sicher Einzelfälle gewesen. Bei allen 64 Partien aber muss eine Anweisung, weniger über Gelbe Karten als über die Persönlichkeit zu gehen, dahinter stehen. Das kann die FIFA noch so sehr leugnen, damit macht man sich nur noch unglaubwürdiger. Hier müssen sich aber weniger die Schiedsrichter, denen als Adressaten dieser Anweisung die Hände gebunden waren, als das Komitee um Massimo Busacca Kritik gefallen lassen. Im Endeffekt war diese Linie nicht förderlich, sondern führte zu immer härteren Spielen, was in der schweren Verletzung von Topstar Neymar seinen Tiefpunkt fand.

Noch gravierender auf die Entscheidungen wirkte sich aber die Anweisung zu den Laufwegen aus. Dem geübten Auge fiel auf, dass die Schiedsrichter in Strafraumnähe auf einmal von der „klassischen“ Diagonale abwichen, also sich nicht in der Nähe des rechten Strafraumecks positionierten, sondern in die Mitte, z.T. sogar auf die andere Strafraumseite einrückten. Daraus resultierten zwei Effekte: Einerseits standen sie näher am Spielgeschehen und beurteilten manche Strafraumszenen aus zehn statt 30 Metern Entfernung. Das ist ja zunächst mal wünschenswert. Andererseits aber ging dadurch der für die Zweikampfbewertung essentielle Seiteneinblick verloren. Dieser Anweisung haben wir einige nicht oder fälschlicherweise gegebene Strafstöße zu verdanken, prominentestes Beispiel war der Elfmeter im Eröffnungsspiel, mit dem das „Übel“ aus Schiedsrichtersicht begann.

Der Start ist immer wichtig. Das gilt innerhalb eines Spiels für den ersten bewerteten Zweikampf genauso wie für ein großes Turnier mit dem Eröffnungsspiel. Hier wird die Linie für das Turnier festgelegt, hier bekommen alle Beteiligten einen ersten Eindruck, was sie in den folgenden vier Wochen erwartet. Und für diesen ersten Eindruck, so ein geflügeltes Wort, das bei nahezu jedem Leistungslehrgang für Schiedsrichter gebraucht wird, bekommt man keine zweite Chance. Vor allem, wenn sich in den nächsten zwei Partien weitere schwere Fehler einschleichen. Spätestens nach dem Spiel Spanien–Niederlande (1:5) war klar: Die Schiedsrichterleistungen der WM würden am Ende negativ bewertet werden. Selbst dann, wenn sich die Fehlentscheidungen anschließend nur noch auf einem normalen Level bewegen würden.

Tatsächlich wurden gute Leistungen anschließend kaum registriert und falls doch, dann häufig versehen mit dem Satz „Das muss man bei dieser WM ja auch mal betonen“ – was das Kompliment wiederum zu einer scharfen Kritik in Richtung der anderen Schiedsrichter verkehrte. Wenn man sich die Entscheidungen aber mal einzeln vornimmt, stellt man fest: Die meisten sind gut erklärbar, sei es durch ein unglückliches, aber aufgrund der oben geschilderten Anweisung eben doch richtiges, Stellungsspiel oder durch die Szene als solche. Man denke dabei nur an den Elfmeter in der Partie Spanien–Niederlande, an dem in Livegeschwindigkeit eigentlich kaum ein Zweifel bestand. Nur sehr wenige Entscheidungen waren „unverzeihlich“ oder „Anfängerfehler“. Intuitiv denke ich da an das 3:1 für die Niederlande gegen den Weltmeister oder an die Rudelbildung bei Brasilien–Kolumbien.

Bezeichnend, dass ausgerechnet der Final-Schiedsrichter Nicola Rizzoli (Italien) in dieser Aufzählung seinen Auftritt hat. Womit man beim letzten Kritikpunkt bei dieser WM angekommen ist – die Ansetzungen. Das Team um Busacca hat es in ein paar Spielen verpasst, europäische (Spitzen-)Schiedsrichter anzusetzen. Das führte dann dazu, dass gute Schiedsrichter wie Dr. Felix Brych, der auch Fehler gemacht hat – aber bei weitem keine unverzeihlichen – am Ende nur zwei Gruppenspiele leiten durften. Ein Leistungsprinzip war auch nur bedingt erkennbar. Bestes Beispiel dafür ist Bakary Gassama. Der Gambier leitete das Spiel zwischen den Niederlanden und Chile (2:0) am dritten Spieltag überzeugend. Von einem großen Sportmagazin mit Sitz in Nürnberg bekam er eine glatte 1, selbst wenn diese Noten immer mit Vorsicht zu genießen sind. Der Afrikaner kam danach aber zu keinem weiteren Einsatz. Stattdessen wurde Djamel Haimoudi aus Algerien in der K.o.-Runde trotz nicht wirklich überzeugender Leistungen noch zweimal eingesetzt, unter anderem im ,,kleinen Finale“ mit Brasilien und den Niederlanden (0:3).

Mutmaßlicher Grund hierfür sind politische Erwägungen. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Es gibt einige Stellschrauben für die WM 2018, größtenteils auf Seiten des FIFA-Komitees. Wir können nur hoffen, dass an diesen auch gedreht wird. Und eines ist klar: Bei dieser WM hat man gesehen, was wir an den Bundesliga-Schiedsrichtern haben…

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Noch gravierender auf die Entscheidungen wirkte sich aber die Anweisung zu den Laufwegen aus. Dem geübten Auge fiel auf, dass die Schiedsrichter in Strafraumnähe auf einmal von der „klassischen“ Diagonale abwichen, also sich nicht in der Nähe des rechten Strafraumecks positionierten, sondern in die Mitte, z.T. sogar auf die andere Strafraumseite einrückten. Daraus resultierten zwei Effekte: Einerseits standen sie näher am Spielgeschehen und beurteilten manche Strafraumszenen aus zehn statt 30 Metern Entfernung. Das ist ja zunächst mal wünschenswert. Andererseits aber ging dadurch der für die Zweikampfbewertung essentielle Seiteneinblick verloren. Dieser Anweisung haben wir einige nicht oder fälschlicherweise gegebene Strafstöße zu verdanken, prominentestes Beispiel war der Elfmeter im Eröffnungsspiel, mit dem das „Übel“ aus Schiedsrichtersicht begann.

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Tatsächlich wurden gute Leistungen anschließend kaum registriert und falls doch, dann häufig versehen mit dem Satz „Das muss man bei dieser WM ja auch mal betonen“ – was das Kompliment wiederum zu einer scharfen Kritik in Richtung der anderen Schiedsrichter verkehrte. Wenn man sich die Entscheidungen aber mal einzeln vornimmt, stellt man fest: Die meisten sind gut erklärbar, sei es durch ein unglückliches, aber aufgrund der oben geschilderten Anweisung eben doch richtiges, Stellungsspiel oder durch die Szene als solche. Man denke dabei nur an den Elfmeter in der Partie Spanien–Niederlande, an dem in Livegeschwindigkeit eigentlich kaum ein Zweifel bestand. Nur sehr wenige Entscheidungen waren „unverzeihlich“ oder „Anfängerfehler“. Intuitiv denke ich da an das 3:1 für die Niederlande gegen den Weltmeister oder an die Rudelbildung bei Brasilien–Kolumbien.

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