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Schiedsrichterball: Aus Elf mach Neun!
War der doppelte Platzverweis gegen Ajax korrekt?
Kuriose Szene am Dienstag an der Stamford Bridge: Beim Stand von 4:2 für die Gäste aus Amsterdam fuhr der FC Chelsea einen Angriff. Im Rahmen dieses Spielzugs wurde Tammy Abraham von Ajax‘ Daley Blind rücksichtslos gefoult. Da die Londoner in Ballbesitz blieben, ließ Schiedsrichter Gianluca Rocchi Vorteil laufen. Dies resultierte in einem Torschuss, den Amsterdams Veltman mit der Hand abwehrte. Rocchi deutete auf die Strafstoßmarke. Ärgerlich für Ajax Amsterdam: Sowohl Blind als auch Veltman waren bereits verwarnt, sodass Rocchi innerhalb einer Szene beide mit Gelb-Rot vom Platz stellte. Doch war hier regeltechnisch alles korrekt?
Vorteil trotz Platzverweis
Zunächst betrachten wir das Foul und die Vorteilsentscheidung: Blinds Einsteigen muss als rücksichtslos bewertet werden, sodass eine Gelbe Karte – und damit Gelb-Rot – zwingend ist.
Das Regelwerk lässt einen Vorteil bei einem Platzverweis ausdrücklich zu, empfiehlt eine Anwendung jedoch nur im Fall klarer Torchancen. Hauptanwendungsbereich für Vorteile nach feldverweiswürdigen Fouls sind daher Notbremsen – mit dem praktischen Nebeneffekt, dass aus der Roten Karte dann eine Gelbe Karte wird, weil die klare Torchance infolge des Vorteils ja nicht vereitelt wurde. Die Vorteilsentscheidung war also zwar riskant, aber aus Regelsicht nicht zu beanstanden.
Doch was wäre passiert, hätte Blind noch ins Spiel eingegriffen? Für den Fall des Vorteils nach einem feldverweiswürdigen Vergehen sieht das Regelwerk hier tatsächlich einen Passus vor: Greift ein Spieler ein, der nach einem Vorteil in der nächsten Spielunterbrechung des Feldes verwiesen werden soll, wird die Partie unterbrochen, der Profi für das vorhergehende Vergehen des Feldes verwiesen und es gibt anschließend indirekten Freistoß für das gegnerische Team.
Die zweite Frage, die sich in diesem Kontext stellt, ist, ob der Feldverweis nach dem Vorteil notwendig war. Grundsätzlich müssen persönliche Strafen auch nach einem Vorteil noch verhängt werden. Die Ausnahme dafür bilden das Vereiteln einer klaren Torchance („Notbremse“) bzw. das Unterbinden eines aussichtsreichen Angriffs („taktisches Foul“). Hier bleiben die klare Torchance bzw. der aussichtsreiche Angriff durch den Vorteil ja bestehen. Deshalb wird im ersten Fall aus der Roten Karte eine Verwarnung und die Verwarnung im zweiten Fall entfällt komplett. Die Gegenausnahme bilden Szenen, in denen das Foulspiel auch aufgrund seiner Intensität gelb- bzw. rotwürdig war. In London war das Foulspiel von Blind schon aufgrund der Intensität gelbwürdig. Daher musste die Gelb-Rote Karte auch nach dem Vorteil noch gegeben werden.
Der Handelfmeter war zweifelhaft
Kommen wir jetzt also zum zweiten Vergehen in dieser Szene. Veltman blockierte einen Torschuss mit der Hand ab. Geht man davon aus, dass dieses Handspiel strafbar ist, ist hier die Gelb-Rote Karte ebenfalls zwingend: Die Abwehr eines Torschusses durch ein strafbares Handspiel ist (mindestens) eine zwingende Verwarnung. Das folgt zum einen aus der expliziten Anordnung im Regelwerk, zum anderen aber auch aus dem Angriffskontext: Im Grunde handelt es sich hierbei ja auch um das Vereiteln eines aussichtsreichen Angriffs.
Ob das Handspiel an sich strafbar war, ruft indes Zweifel hervor. Veltman hat den Arm sehr nahe am Körper. Für ein strafbares Handspiel sprechen letztlich nur zwei, in meinen Augen eher weniger überzeugende Aspekte: Zum einen ist der Torschuss zu erwarten, zum anderen lässt die Zeitlupe ein Herauszucken des Arms vermuten. Diese zwei Punkte könnten den Videoassistenten dazu gebracht haben, dem Schiedsrichter keine klare und offensichtliche Fehlentscheidung zu unterstellen. Allerdings hat die Erwartbarkeit des Balles durch die Regeländerung im vergangenen Sommer an Bedeutung verloren, viel wichtiger ist die Handhaltung – und viel näher am Körper konnte Veltman den Arm nun wirklich nicht mehr halten. Auch das vermeintliche Zucken entpuppt sich in Originalgeschwindigkeit als natürlicher Teil des Bewegungsablaufs, da sich Veltman wegdreht. Ich hätte diesen Strafstoß also nicht gegeben. Gibt man ihn, ist die Gelb-Rote Karte allerdings zwingend.
Sind mehrere Platzverweise gleichzeitig zulässig?
Klar ist hingegen, dass mehrere Platzverweise zur gleichen Zeit stattfinden können: Das Regelwerk kennt keine Obergrenze von Platzverweisen in einer Situation. Lediglich für den Fall, dass eine Mannschaft auf unter sieben Spieler reduziert wird, schreibt das Regelwerk vor, dass anschließend das Spiel abgebrochen werden muss.
Zusammenfassend kann man über diese Minute also festhalten: Regeltechnisch ist höchstens die Bewertung des Handspiels als strafbar zu beanstanden. Ob der erste Vorteil mit anschließender Gelb-Roter Karte clever oder riskant war, muss jeder für sich entscheiden.
@AllesZufall
Zitat von AllesZufall
Zusätzlich ist noch fraglich, ob es nicht Freistoß für Ajax hätte geben müssen, da mit dieser Aktion überhaupt erst alles anfing.
Genau, für mich ein Foul von Pulisic an Daley Blind.
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