Johannes Gründel

Beim Spiel zwischen Bayer 04 Leverkusen und dem SV Werder Bremen standen FIFA-Schieddsrichter Deniz Aytekin und Assistent Christian Dietz im Blickpunkt. Leverkusens Sidney Sam (34.) bekommt einen Steilpass von André Schürrle, startet durch, legt den Ball – für sich selbst unerreichbar – an Keeper Mielitz vorbei und fällt nach einem Kontakt. Aytekin entscheidet zunächst auf Abstoß, lässt sich nach einer Intervention durch Dietz aber von diesem umstimmen und gibt den Strafstoß, der zum 1:0-Endstand führt.

Hier gab es an mehreren Punkten Kritik. Aber der Reihe nach. Zunächst wurde eine Abseitsstellung von Sam moniert. Tatsächlich zeigen die virtuell gezogenen Linien diverser Fernsehsender an, dass Sam wohl mit einem halben Fuß im Abseits stand. Unter dem Vorbehalt gewisser Zweifel: So erscheint mir Sokratis' Kopf noch näher an der eigenen Grundlinie als sein Fuß, sodass die Linie wohl nicht ganz richtig gezogen wurde. Andererseits könnte sich aber auch Sams Knie oder Schulter vor dem Fuß befinden. So stand Sam wohl wirklich ein paar Millimeter im Abseits. Diese Entscheidung ist aber so knapp, dass schon wenige Zentimeter Abweichung vom optimalen Stellungsspiel ausreichen, dass es für Dietz wie gleiche Höhe aussieht, zumal die Auslegungsrichtlinie „Im Zweifel für den Stürmer“ auch gilt. Also kann man dem Assistenten für diese Fehlentscheidung keinen wirklichen Vorwurf machen.

Der zweite Kritikpunkt ist die Bewertung des Zweikampfes zwischen Bremens Torhüter Sebastian Mielitz und Sam. Mielitz geht hier mit beiden Beinen voraus in den Zweikampf. Natürlich macht Sam das in der Situation clever. Er erkennt, dass er den Ball nicht mehr erreichen kann, und nimmt Mielitz' Präsent dankend an. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieses Einsteigen natürlich elfmeterwürdig war. Man kann sogar schon über eine Rote Karte wegen groben Fouls nachdenken, weil Mielitz angesichts dieses Einsteigens Sams Gesundheit egal war. Allerdings waren seine Beine nicht gestreckt und man kann auch noch Ansätze eines Zurückziehens erkennen, sodass Gelb, wie Aytekin auch entschied, die richtige Kartenfarbe war.

Der dritte Punkt ist für mich ein Anlass für ein Lob. Denn: Aytekin entschied zunächst auf Abstoß und zwar, wie ich vermute, weil er dachte, dass der Ball zum Zeitpunkt des Kontakts schon im Toraus war. Dann wäre eine Spielstrafe (Strafstoß) nämlich ausgeschlossen gewesen. In dieser Situation jedoch hat der junge Zweitliga-Schiedsrichter Christian Dietz den Mut, seinen Chef, der seines Zeichens immerhin FIFA-Schiedsrichter der Elite Development Group, also der zweithöchsten Qualifikation, ist, auf den Fehler hinzuweisen und auf den Elfmeter hinzuwirken. Umgekehrt aber hat auch Aytekin den Mumm, seine eigene „Fehlentscheidung“ zu korrigieren und Elfmeter zu geben. Das haben beide - aus der Perspektive der Schiedsrichter - sehr gut gemacht. So wünscht man sich als Referee die Kommunikation im Gespann, auch wenn es für die Außenwirkung besser gewesen wäre, Aytekin hätte direkt auf Elfmeter entschieden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Sam zunächst - objektiv betrachtet - haarscharf im Abseits stand, aber daraus kann man dem Gespann wirklich keinen Strick drehen. Die Elfmeterentscheidung für sich genommen, also unter Ausblendung des vorhergegangenen Abseits, war jedoch korrekt und zwingend notwendig. Die Gelbe Karte wäre übrigens auch möglich gewesen, so Aytekin "nur" auf Abseits entschieden hätte. Denn Mielitz ist ja trotzdem so eingestiegen. Somit war auch dies genau richtig entschieden.