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24.03.2016 10:43 Uhr | Quelle: WahreTabelle

Schiedsrichterball: Mehr als nur das Regelwerk

Kolumne: Johannes Gründel bei WahreTabelle über das Regelwerk und strittige Fußball-Szenen. 

Johannes Gründel
Johannes Gründel
S04 / MGB
Quelle: Imago Sportfoto
Die fragliche Szene auf Schalke: Gladbachs Lars Stindl (m.) fällt - wohl etwas zu theatralisch... Rechts: Dennis Aogo, S04-Keeper Ralf Fährmann (l.) ist Beobachter.

Johannes Gründel
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Es war die 72. Minute im Freitagsspiel der Fußball-Bundesliga zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach (2:1). Schalkes Dennis Aogo ging im eigenen Strafraum gegen Lars Stindl zu Werke und schob diesen mit geringer Intensität. Der Gladbacher fiel daraufhin, als wäre er von einer Abrissbirne erwischt worden. Schiedsrichter Marco Fritz (Korb) entschied auf Weiterspielen.

Diese Szene ist insofern lehrreich, als sie zeigt, dass es über das Regelwerk hinaus noch weitere Faktoren gibt, die bei der Bewertung eines Zweikampfs relevant werden. Das Regelwerk spielt tatsächlich bei der Zweikampfbewertung nur eine untergeordnete Rolle in der Gestalt, dass es den Rahmen schafft. Das erkennt man schon am viel zitierten „Ermessensspielraum“ der Schiedsrichter oder deren Linie. Beides findet im Regelwerk keinen Anknüpfungspunkt. In Regel zwölf stehen lediglich die ganzen Vergehen (Treten, Halten, Beinstellen, Anspringen, Rempeln, Schlagen, Stoßen, Bedrängen, Anspucken, Handspiel). Dabei gibt es eigentlich keinen Hinweis darauf, dass ein Schiedsrichter einen Spielraum hat. Die Regel-Theorie ist Schwarz-Weiß. Trotzdem würde niemand bestreiten, dass es diesen Spielraum gibt. Niemand will ernsthaft, dass beispielsweise jedes Bedrängen gepfiffen wird. Das brächte nämlich den Spielfluss zum Erliegen und würde Zweikämpfe nahezu vollständig unterbinden. Also müssen mehr Faktoren eine Rolle spielen als die bloße Regeltheorie.

In der Praxis werden Zweikämpfe in aller Regel nach Intuition bewertet. Man sieht eine Situation und pfeift oder eben nicht – ohne großes Nachdenken, ohne Subsumtion unter die Regeln, einfach aus dem Bauch heraus. Dazu kommt noch, dass die Zweikampfbewertung sehr viel Gewohnheitssache ist. Ein Beispiel hierfür: Dafür, dass eine Grätsche (also ein Beinstellen bzw. Anspringen) grundsätzlich dann legitim ist, wenn zuerst der Ball gespielt wird, gibt es im Regelwerk keinen Anhaltspunkt. Dennoch ist es unbestritten – es hat sich einfach eingebürgert.

Ein weiterer Faktor ist das Verhalten des vermeintlich gefoulten Spielers. Wenn er übertrieben fällt, bekommt er den Frei- oder Strafstoß meistens nicht. Dahinter steht die Erwägung, dass man Zweikämpfe möglichst zulassen und gleichzeitig Schauspielerei unterbinden will. Die Reaktion muss zur Ursache passen. Man stelle sich nur eine Situation vor, in der ein Spieler von rechts im Laufduell gerempelt wird, (an der Grenze des korrekten Rempelns – das im Regelwerk übrigens auch nicht erwähnt wird), dann aber nach rechts stürzt statt nach links, weil er einfach fallen möchte. In dem Fall wäre es ungerecht, den Spieler für seine Schauspielerei noch zu belohnen. Das Spiel laufen zu lassen, ist in dieser Szene effektiver als ein Freistoß oder Elfmeter für den vermeintlich gefoulten Spieler und dennoch Gelb wegen Schauspielerei, besonders wenn es auf das Spielende hingeht. Das muss man nicht gut finden. Es ist jedoch gängige Praxis unter den Schiedsrichtern und von den Verbänden so gewünscht. Wer nur nach dem Regelwerk entscheidet, wird spätestens auf Bezirksebene schon aussortiert, weil er seine Spiele niemals so gut im Griff haben kann wie ein Schiedsrichter, der im Sinne des Spiels entscheidet.

Teilweise entscheiden sich die Verbände auch bewusst gegen die Regeln und sind sich dabei untereinander uneinig. Bestes Beispiel ist die Handspielregel. Die ist eigentlich klar formuliert: Nur absichtliches Handspiel ist strafbar. So will das auch die FIFA: Frei- und Strafstöße nur bei eindeutig absichtlichem Handspiel. Die UEFA hingegen schlägt in die genaue Gegenrichtung aus: Hier reicht schon eine fahrlässige Vergrößerung der Trefferfläche. Die Position des DFB ist wohl in der Mitte anzusiedeln. Die Absicht ist maßgeblich, allerdings reicht auch Billigendes In Kaufnehmen an, sofern eine unnatürliche Vergrößerung der Trefferfläche vorliegt.

All diese Abweichungen sind nur Schablonen, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben. Das ist auch eines der häufigsten Missverständnisse bei DFB-Anweisungen. Sie gelten für einen bestimmten Typ von Szene, dürfen aber nicht wie ein Gesetz verstanden werden.

Die oben beschriebene Szene hingegen passt gut in die Schablone. Ein Angriff des Verteidigers, eine Simulation des Angreifers – Pech gehabt, kein Elfmeter. Das mag nicht mit dem Wortlaut des Regelwerks übereinstimmen, ist aber im Sinne der Verbände.

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Diese Szene ist insofern lehrreich, als sie zeigt, dass es über das Regelwerk hinaus noch weitere Faktoren gibt, die bei der Bewertung eines Zweikampfs relevant werden. Das Regelwerk spielt tatsächlich bei der Zweikampfbewertung nur eine untergeordnete Rolle in der Gestalt, dass es den Rahmen schafft. Das erkennt man schon am viel zitierten „Ermessensspielraum“ der Schiedsrichter oder deren Linie. Beides findet im Regelwerk keinen Anknüpfungspunkt. In Regel zwölf stehen lediglich die ganzen Vergehen (Treten, Halten, Beinstellen, Anspringen, Rempeln, Schlagen, Stoßen, Bedrängen, Anspucken, Handspiel). Dabei gibt es eigentlich keinen Hinweis darauf, dass ein Schiedsrichter einen Spielraum hat. Die Regel-Theorie ist Schwarz-Weiß. Trotzdem würde niemand bestreiten, dass es diesen Spielraum gibt. Niemand will ernsthaft, dass beispielsweise jedes Bedrängen gepfiffen wird. Das brächte nämlich den Spielfluss zum Erliegen und würde Zweikämpfe nahezu vollständig unterbinden. Also müssen mehr Faktoren eine Rolle spielen als die bloße Regeltheorie.

In der Praxis werden Zweikämpfe in aller Regel nach Intuition bewertet. Man sieht eine Situation und pfeift oder eben nicht – ohne großes Nachdenken, ohne Subsumtion unter die Regeln, einfach aus dem Bauch heraus. Dazu kommt noch, dass die Zweikampfbewertung sehr viel Gewohnheitssache ist. Ein Beispiel hierfür: Dafür, dass eine Grätsche (also ein Beinstellen bzw. Anspringen) grundsätzlich dann legitim ist, wenn zuerst der Ball gespielt wird, gibt es im Regelwerk keinen Anhaltspunkt. Dennoch ist es unbestritten – es hat sich einfach eingebürgert.

Ein weiterer Faktor ist das Verhalten des vermeintlich gefoulten Spielers. Wenn er übertrieben fällt, bekommt er den Frei- oder Strafstoß meistens nicht. Dahinter steht die Erwägung, dass man Zweikämpfe möglichst zulassen und gleichzeitig Schauspielerei unterbinden will. Die Reaktion muss zur Ursache passen. Man stelle sich nur eine Situation vor, in der ein Spieler von rechts im Laufduell gerempelt wird, (an der Grenze des korrekten Rempelns – das im Regelwerk übrigens auch nicht erwähnt wird), dann aber nach rechts stürzt statt nach links, weil er einfach fallen möchte. In dem Fall wäre es ungerecht, den Spieler für seine Schauspielerei noch zu belohnen. Das Spiel laufen zu lassen, ist in dieser Szene effektiver als ein Freistoß oder Elfmeter für den vermeintlich gefoulten Spieler und dennoch Gelb wegen Schauspielerei, besonders wenn es auf das Spielende hingeht. Das muss man nicht gut finden. Es ist jedoch gängige Praxis unter den Schiedsrichtern und von den Verbänden so gewünscht. Wer nur nach dem Regelwerk entscheidet, wird spätestens auf Bezirksebene schon aussortiert, weil er seine Spiele niemals so gut im Griff haben kann wie ein Schiedsrichter, der im Sinne des Spiels entscheidet.

Teilweise entscheiden sich die Verbände auch bewusst gegen die Regeln und sind sich dabei untereinander uneinig. Bestes Beispiel ist die Handspielregel. Die ist eigentlich klar formuliert: Nur absichtliches Handspiel ist strafbar. So will das auch die FIFA: Frei- und Strafstöße nur bei eindeutig absichtlichem Handspiel. Die UEFA hingegen schlägt in die genaue Gegenrichtung aus: Hier reicht schon eine fahrlässige Vergrößerung der Trefferfläche. Die Position des DFB ist wohl in der Mitte anzusiedeln. Die Absicht ist maßgeblich, allerdings reicht auch Billigendes In Kaufnehmen an, sofern eine unnatürliche Vergrößerung der Trefferfläche vorliegt.

All diese Abweichungen sind nur Schablonen, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben. Das ist auch eines der häufigsten Missverständnisse bei DFB-Anweisungen. Sie gelten für einen bestimmten Typ von Szene, dürfen aber nicht wie ein Gesetz verstanden werden.

Die oben beschriebene Szene hingegen passt gut in die Schablone. Ein Angriff des Verteidigers, eine Simulation des Angreifers – Pech gehabt, kein Elfmeter. Das mag nicht mit dem Wortlaut des Regelwerks übereinstimmen, ist aber im Sinne der Verbände.

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